Muslime auf der ganzen Welt feiern gerade das Zuckerfest, das den Fastenmonat Ramadan beendet. Nach den Wochen der Entbehrung ist es eigentlich ein großes, dreitägiges Fest, bei dem Familien, Nachbarn und Freunde ausgelassen zusammenkommen. Doch in diesem Jahr machen Abstands- und Hygieneregeln das fröhliche Feiern ungewohnt schwer.
Ich hatte letzte Woche ein Erlebnis, das mir diese Erfahrungen der muslimischen Gläubigen näher gebracht hat. Denn wir haben uns als KDFB Rottenburg-Stuttgart auf ein Experiment eingelassen. Normalerweise gibt es bei uns regelmäßig eine „Interkulturelle After-Work-Begegnung“ mit Frauen des deutsch-türkischen Frauenvereins StuFem. Dabei tauschen sich christliche und muslimische Frauen über ihren Glauben, ihre Riten oder bestimmte Lebensthemen aus. So eine Begegnung war geplant und konnte aufgrund des Versammlungsverbots nicht stattfinden. Also hat unsere Geschäftsführerin Frau Driessen gemeinsam mit den anderen Kooperationspartnerinnen entschieden, die Veranstaltung als Videokonferenz anzubieten. Das Thema wurde kurzerhand aktualisiert und hieß nun „Was uns stärkt: Kreativ den Glauben leben in Corona-Zeiten“. Ich wurde als Referentin für ein kurzes Statement dazu angefragt.
Ob das Experiment gelingen würde? Wir bangten, wie viele Frauen sich wohl anmelden würden. Zunächst sah es schlecht aus. Die Anmeldezahl dümpelte vor sich hin. Am Veranstaltungstag waren es immerhin 16 Frauen, die teilnehmen wollten. Um 18 Uhr schalteten wir uns ins Zoom-Programm. Die Technik hatte wie so oft ihre Tücken. Doch nach und nach erschienen die Frauen per Bild oder Name auf dem Bildschirm. Es zeigte sich einmal neu, dass muslimische Frauen sich eher nicht anmelden. Sie sind einfach da. Per WhatsApp hatten sie sich die Zugangsdaten weitergegeben. Immer mehr kleine Bildfenster erschienen auf meinem Laptop. Am Ende waren wir 40 Frauen, einige unserer katholischen Gruppe, in der Mehrheit aber muslimische Frauen, oft noch jung, die sich voller Interesse eingefunden hatten – unglaublich!
Dann ging es los. In meinem Statement erzählte ich von unseren virtuellen Gottesdiensten während des Lockdowns, von den Versuchen, die Kar- und Ostertage auch ohne die gewohnten Rituale zu gestalten. Von den vielen kreativen Ideen oder den neuen Hausgottesdiensten, die unsere Kirche gerade beleben. Nach mir erzählte die muslimische Referentin von der Gestaltung des Ramadans in Corona-Zeiten. Mich berührte sehr, wie ernsthaft und gewissenhaft muslimische Frauen in dieser besonders geprägten Zeit fasten, beten, im Koran lesen und über ihr Leben nachdenken. Kein Essen und kein Trinken von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang – das ist eine große Leistung! Das abendliche Fastenbrechen, das im Ramadan sonst so wichtig ist um durchzuhalten, entfiel durch die Corona-Beschränkungen. Dies mache die Zeit noch intensiver in der Konzentration auf sich selbst und den eigenen Glauben, erzählte unsere Referentin. Kein Jammern, kein Lamentieren, sondern die Überzeugung, dass Gott Menschen in dieser Situation besonders herausfordert und ihnen auch besondere Kraft gibt – ich finde diese Einstellung sehr beeindruckend!
Wir hörten Musik einer orientalischen Flöte und tauschten uns über das Gehörte aus. Dann endeten wir mit einem christlichen und muslimischen Gebet, das wir jeweils miteinander teilten. Was für eine besondere, wunderbare Begegnung von Frauen aus so unterschiedlichen Lebenskontexten!
Mich beschäftigt dieses Erlebnis nachhaltig. Es hat meinen Horizont erweitert und meine inneren Fragen über Glaubensvollzüge in dieser Corona-Zeit in eine größere Dimension gestellt. Rechts und links zu schauen tut mir gut. Menschen anderer Religionen stehen vor ähnlichen Fragen wie wir und geben Antwort aus ihrem Glauben heraus. Darin sind wir uns über Religionsgrenzen hinweg verbunden.
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