Dr. Annkatrin Blank schreibt: Zum Fest der Hl. Maria Magdalena, der Apostelin der Apostel, fand in unserer Pfarrgemeinde ein Gottesdienst statt, der vom örtlichen Zweigverein des KDFB gestaltet wurde. Wir übernahmen die Vorlage für den Frauenbund-Gottesdienst von 2020 „Maria Magdalena: Sie schwieg nicht!“, und ich begann einige Zeit vorher, mich mit den liturgischen Texten, Weish 7,7-14; 2 Kor 5,14-20 und Joh 20,1.2.11-18, zu beschäftigen, um nach dem Evangelium einige Gedanken dazu vorzutragen.
Das Evangelium ist die bekannte Ostererzählung, in der Maria Magdalena, die Jesus in den Tagen zuvor als eine der wenigen bis zu seiner Kreuzigung und seinem Begräbnis begleitet hat, das leere Grab sieht und verzweifelt weint, bis sie schließlich im vermeintlichen Gärtner den auferstandenen Jesus erkennt. Weniger geläufig dürfte die Passage Joh 20,3-10 sein, in der Maria nach der Entdeckung des leeren Grabes entsetzt über den potentiellen Raub des Leichnams Jesu erst einmal Hilfe sucht bei „Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte“ (Joh 20,2). Beide begleiten sie zum leeren Grab, können aber offensichtlich nicht helfen und gehen wieder nach Hause, „denn sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse“ (Joh 20,9).
Maria bleibt allein am Grab zurück. Sie möchte noch nicht aufgeben, weiß aber auch nicht, wo sie noch Hilfe finden könnte. Also bleibt sie am leeren Grab und weint, und als sie wohl zufällig dabei ins Grab blickt, sieht sie Engel, die sie freundlich ansprechen. Und als sie sich umwendet, steht hinter ihr Jesus selbst, der sie fragt, warum sie weine. Sie erkennt ihn in dem Moment, in dem er sie mit ihrem Namen anspricht. Sie ist die erste, die ihn sieht und an die Auferstehung glaubt, und sie ist die erste, die Jesus mit der Botschaft von seiner Auferstehung zu den Jüngern sendet und damit im Wortsinn zur Gesandten, zur Apostelin macht.
Weil sie seinem Auftrag nachkommt, wird alle spätere Verkündigung der Apostel, Jünger und anderer Christen erst möglich. Ein Beispiel finden wir in der 2. Lesung aus dem Zweiten Brief an die Christen in Korinth, in der Paulus wesentliche Glaubensinhalte zur Auferstehung zusammenfasst. Auch Paulus verdankt seine für die Entwicklung des Christentums so bedeutsame Verkündigung nicht nur Männern, sondern ebenso Frauen, die dem Vorbild der Maria Magdalena gefolgt sind, ihm erst Wissen um die Lehre Jesu und den Glauben an die Auferstehung vermittelt haben und ihm dann gleichberechtigt als Mitarbeiterinnen zur Seite gestanden sind. Eine lange Liste von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Paulus bieten die Grüße am Ende des Briefs an die Christen in Rom (vgl. Röm 16), in der unter anderem Phöbe, diakonos der Gemeinde in Kenchreä, erscheint, daneben Prisca mit ihrem Ehemann Aquila, Maria, das Paar Andronikus und Junia, Tryphaina und Tryphosa, Persis, Rufus und seine Mutter, Philologus und Julia, Nereus und seine Schwester usw. Dieser Brief gehört zu den ältesten Schriften der Sammlung, die wir heute als Neues Testament kennen, und gewährt damit einen der frühesten und authentischsten Einblicke in Leben und Alltag von Christen. Die Bedeutung dieser Frauen für die Verbreitung des Christentums und das Entstehen neuer Gemeinden dürfte kaum hoch genug einzuschätzen sein. Paulus nennt sie neben Ehemännern, Söhnen und Brüdern, aber – ungewöhnlich für die römische Antike – auch allein in seinen Briefen. Einige von ihnen dürften Hausgemeinden vorgestanden sein, der wohl frühesten Organisationsform eines Christentums, in dem sich Ämter und Hierarchien erst nach und nach und von Stadt zu Stadt verschieden herausbildeten. Der weitere Verlauf der Geschichte begünstigte Männer als Amtsträger, die viel häufiger das nötige gesellschaftliche Ansehen, höhere Bildung und auch die finanziellen Mittel zur Unterstützung der Gemeinden hatten. Dennoch stellt sich die Frage, ob dies angesichts heutiger sozialer Entwicklungen, die auch Frauen gleichberechtigt einen Platz in der Gesellschaft und Zugang zu Bildung bieten, noch zeitgemäß ist.
Zu einer letzten, entscheidenden Frage führt mich die 1. Lesung aus dem Buch der Weisheit, die zugleich zurück verweist auf Maria Magdalena. Sie verhält sich gegenüber der Weisheit, die Erkenntnis bringt, – in ihrem Fall das Erkennen des auferstandenen Jesus und der Bedeutung der Auferstehung – genau so, wie es in der Lesung gesagt wird: „Neidlos gebe ich weiter, ihren [der Weisheit] Reichtum verberge ich nicht bei mir“ (Weish 7,13). Sie ist nicht nur glücklich über ihre Begegnung mit dem auferstandenen Jesus, sondern gibt die Botschaft davon dem Auftrag Jesu gemäß weiter. Das allein macht sie schon zu einer herausragenden Persönlichkeit des Christentums.
Ich möchte den Gedanken aber noch etwas weiterverfolgen. Weisheit ist im Alten Testament eng verbunden mit Gott selbst und wird vor allem aus dem Studium der Hl. Schrift gewonnen. In den Paulusbriefen, dem ältesten Teil des Neuen Testaments, ist, wie wir gesehen haben, die bedeutende Rolle früher Christinnen in ihren Gemeinden bezeugt, in der Nachfolge der Hl. Maria Magdalena, der Apostelin der Apostel. Sollten wir nicht Weisheit für unser Leben und unseren Alltag als Christen auch heute in den Hl. Schriften suchen? Und liegt sie nicht darin, sich immer wieder auf die eigenen Wurzeln zu besinnen und spätere Entwicklungen mit Blick auf die Hl. Schrift und früheste Traditionen zu hinterfragen?
Dr. Annkatrin Blank ist promovierte Klassische Philologin und Kirchenhistorikerin und als Studienrätin im Förderschuldienst tätig. Ehrenamtlich ist sie Schatzmeisterin des KDFB-Zweigvereins Herz Jesu Schwandorf und daneben auch im liturgischen Dienst und der Kirchenmusik aktiv.
2 Kommentare
Hinterlasse einen Kommentar
Weitere Beiträge
Synodaler Ausschuss: Von besonderen Gästen und einem modernen Marienbild
Dr. Maria Flachsbarth schreibt: Am Freitag und Samstag vor dem 3. Advent hat sich der Synodale Ausschuss in Wiesbaden Naurod zu seiner dritten Sitzung getroffen – für den Frauenbund bin ich als Delegierte dabei. [...]
Ein Herz, das von Herzen kommt!
Ich gestehe: Ab und zu schaue ich auch am Wochenende in meine dienstlichen Mails. Am vergangenen Samstag hat diese Mail meine Stimmung, die angesichts des trüben Wetters und vorweihnachtlichen Trubels ohnehin nicht auf dem Höhepunkt [...]
„Woke“ – Aufwachen im Advent
Seit einiger Zeit mag ich gar keine Nachrichten mehr schauen. Gut, ich informiere mich durch die Lektüre einer überregionalen Tageszeitung, aber dieses Gefühl, am liebsten die Augen zu verschließen vor all den unerfreulichen Nachrichten, [...]
Mein Blick auf Maria Magdalena, Apostelin der Apostel
Dr. Annkatrin Blank schreibt: Zum Fest der Hl. Maria Magdalena, der Apostelin der Apostel, fand in unserer Pfarrgemeinde ein Gottesdienst statt, der vom örtlichen Zweigverein des KDFB gestaltet wurde. Wir übernahmen die Vorlage für [...]
Gewalt geht nicht
Monika Urban schreibt: Am 25. November ist der „Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ und bis zum 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte gibt es auch bei Frauenbund-Gruppen „Orange The World“ Aktionen. Die [...]
Barbara Stamm – eine Politikerin aus Leidenschaft für die Menschen
Am 5. Oktober jährt sich zum zweiten Mal der Todestag von Barbara Stamm. Nur wenige Wochen später, am 29. Oktober, wäre sie 80 Jahre alt geworden. Zwei Jahre nach ihrem Tod ist die Lücke, die [...]
Kirche braucht alle und lebt von allen, die mitmachen und für andere da sind. Wie sähe heute Kirche ohne Frauen aus!?! Ihr Einsatz braucht mehr als gute Worte, lasst uns Einrichtungen aufbauen, die dem Einsatz entsprechen!
Gute biblische Begründung dafür, dass Frauen Zugang zu allen Weiheämtern erhalten müssen.