Monika Urban schreibt:
Am 25. November ist der „Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen“ und bis zum 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte gibt es auch bei Frauenbund-Gruppen „Orange The World“ Aktionen. Die Vereinten Nationen machen seit 1991 aufmerksam, dass weltweit Frauen klein gemacht, unterdrückt, geschlagen, ja getötet werden. Jede dritte Frau in Deutschland ist in ihrem Leben mindestens einmal von Gewalt betroffen, fast jeden dritten Tag stirbt eine Frau aufgrund von Gewalt durch ihren (Ex-)Partner. Weltweit geschehen „Femizide“ alle elf Minuten. Die Dunkelziffer ist hoch, das Thema mit Tabus belegt und Scham erfüllt. Die Zahlen steigen, der Bedarf an Schutz und Beratung nimmt zu, heißt es auf der Internetseite zum Gedenktag.
Um Betroffenen eine Möglichkeit zu geben, über belastende Probleme in der (Ex-)Partnerschaft, in der Familie, am Arbeitsplatz oder im näheren sozialen Umfeld zu reden, hat vor 30 Jahren in meinem Heimatlandkreis die Gleichstellungsbeauftragte eine Initiative gestartet, Ansprechpartnerinnen gesucht und mit dem Caritasverband einen „Frauennotruf“ geschaffen. Ehrenamtliche ließen sich für die Telefonbereitschaft ausbilden. Rund um die Uhr können Betroffene anrufen. Es melden sich jüngere Frauen genauso wie Seniorinnen, oftmals nachts – so berichten die Verantwortlichen des lokalen Frauennotrufs. Bundesweit wurde vor 10 Jahren das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ eingerichtet – unter der Nummer 116 016 ist ein anonymes, kosten- und barrierefreies Beratungsangebot in mehreren Sprachen verfügbar. Hilfen wurden weiter ausgebaut. Von evangelischer Seite richtete das Diakonische Werk in unserer Region eine Fachberatungsstelle für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder ein, ein Netzwerk gegen häusliche Gewalt wurde gegründet. Es will die Bevölkerung sensibilisieren, bei Gewalt nicht weg zu sehen, sondern genau hinzuschauen. In einer ökumenischen Aktion hatten wir im Coronajahr viele bunte Schals zusammengeknüpft und um die Evangelische Kirche gespannt. Weltweite Solidaritätsbekundungen finden um den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen statt. „Gewaltfrei leben!“ ist der diesjährige Tag überschrieben.
Um das Schweigen zu Gewalt an Frauen im Raum der Kirche aufzubrechen, startete der Frauenbund 2020 ein Buchprojekt. Missbrauchserfahrungen von erwachsenen Frauen sollten dokumentiert werden. Nach der Aufdeckung sexuellen Missbrauchs an Kindern
und Jugendlichen und den erschreckenden Ergebnissen der MHG-Studien hatte man(n) in der Katholischen Kirche Präventionsmaßnahmen und Schutzkonzepte entwickelt und Sanktionsmaßnahmen eingeläutet, doch Missbrauch an Erwachsenen war bis dahin öffentlich wenig präsent. Die theologische Kommission des KDFB lud über die Mitgliederzeitschrift „engagiert“ Frauen ein, persönliche oder innerhalb der Familie erzählte Erfahrungen von sexuellem oder geistlichen Missbrauch in der kath. Kirche niederzuschreiben. Dreiundzwanzig teils erschütternde Berichte über sexuellem und spirituellem Missbrauch an erwachsenen Frauen durch Geistliche fanden in anonymisierter Form Eingang im Buch „Erzählen als Widerstand“. Die Herausgeberinnen und Theologinnen Dorothee Sandherr-Klemp sowie Barbara Haslbeck, Regina Heyder, Ute Leimgruber verfassten Aufsätze dazu. Das Buch erhielt 2021 den Schweizer Marga Bührig Preis. Bei den letzten Vollversammlungen des Synodalen Wegs wurde daraus zitiert. An der Professur für Pastoraltheologie und Homiletik der Universität Regensburg ist ein Forschungsschwerpunkt verankert, u.a. auch zum Thema „Missbrauch an Ordensfrauen“
Dass das hierarchisch aufgebaute System der Kirche Missbrauch begünstigte, wird noch nicht von allen Kirchenvertretern zugegeben. Dass die männlichen Täter geschützt wurden und nicht ihre Opfer – darüber kommen zunehmend Beispiele ans Tageslicht. Körperlichen Übergriffen ging in vielen Fällen „spiritueller Missbrauch“ voraus. Bekannt geworden und aufgedeckt wurde im letzten Jahr, dass z.B. der Ordensgründer der Franziskanerinnen von Vierzehnheiligen, im Jahr 1900 trotz mehrfachen Missbrauchs vor Gericht leer ausging. Die Franziskanerschwestern haben ihre Geschichte aufarbeiten lassen, auch um ihre jungen Mitschwestern in Indien zu schützen, sagt die Oberin in einem Interview auf katholisch.de.
Dank mutiger Frauen, die begannen aufzustehen, Tabus aufzubrechen, die zusammenstehen und vernetzen, scheint es, dass sich langsam Dinge bewegen: An der Arbeitsstelle Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz wurde 2023 eine Anlaufstellestelle eingerichtet: Auf der Homepage https://gegengewalt-inkirche.de/ können sich Menschen differenziert informieren und Kontakt mit unabhängigen Beraterinnen und Beratern aufnehmen. Daneben haben die Deutschen Bischöfe haben vor einem Jahr eine Arbeitshilfe verabschiedet: Missbrauch geistlicher Autorität/zum Umgang mit geistlichem Missbrauch. (Nr. 338). „Lange schon berichten Menschen, wie sie in seelsorglichen Beziehungen und religiösen Gemeinschaften manipuliert, entwertet und abhängig gemacht wurden“ kommentiert Theologin Barbara Haslbeck (auf katholisch.de). „Nun gibt es Begrifflichkeiten und Regelungen für das Phänomen für alle Diözesen – auch für die, die noch wenig Sensibilität dafür haben. Endlich gibt es klare Regelungen von Seiten der Bischofskonferenz“. Anhaltspunkte und Fragen wollen geistlichen Missbrauch eingrenzen und definieren, so z.B. auf Seite 16 und 17: „Wird eine Person… in der Sakramentenkatechese oder in der Sakramentenspendung eingeschüchtert, emotional unter Druck gesetzt, zu bestimmten Verhaltensweisen gedrängt?“ Oder: „Werden individuelle Lebensgeschichten, biographische Entwicklungen, persönliche Glaubenspraxis, bestehende Beziehungen mit vermeintlich geistlichen Argumenten… entwertet? Wird eine Situation ständiger Schuldgefühle erzeugt?“
Beispiele Geistlichen Missbrauchs gibt es leider heute noch (und immer wieder) in Pfarreien. Gläubige und Außenstehende fragen: Körperliche Gewalt und Geistlicher Missbrauch in der Kirche – wie geht das zusammen mit dem, was ihr Gründer lebte und sagte? Jesu Wort: „Bei euch soll es nicht so sein!“ ist bei allen vier Evangelisten zu finden. Ihm ging es nicht um Machtaufbau und -erhalt, erst recht versuchte er nicht, ihn mit Gewalt zu erkämpfen. Vielmehr lebte er konsequent Gewaltlosigkeit. Das Johannesevangelium erzählt an diesem Christkönigsonntag, wie er als Angeklagter souverän vor Pilatus steht und für die Wahrheit Zeugnis ablegt. Seine Wahrheit war grenzenlose Liebe.
Gewalt geht nicht!
Monika Urban ist KDFB Mitglied (Bistum Regensburg), Ehefrau, Mutter, Großmutter, und Geistliche Begleiterin.
Weitere Infos zum Thema Gewalt an Frauen
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