Dr. Regina Heyder schreibt:
Die Vollversammlung der Weltunion katholischer Frauenorganisationen vom 14.–20. Mai 2023 in Assisi – ein Rückblick (Teil 1)
In der dritten Maiwoche war Assisi das Zentrum einer Weltkirche der Frauen: Rund 830 Katholikinnen aus 28 Ländern trafen sich hier zur Vollversammlung der World Union of Catholic Women’s Organisations (WUCWO); sie repräsentierten 49 Mitgliedsorganisationen. „WUCWO women, artisans of human fraternity for world peace“, so lautete der Konferenztitel. Viele Teilnehmerinnen kamen aus Ländern, in denen aktuell Kriege und gewaltsame Krisen herrschen – das Heidelberger Institut für Internationale Konfliktforschung listet in seinem Konfliktbarometer für das vergangene Jahr jeweils 21 Kriege und begrenzte Kriege auf. Sehr konkret zu spüren ist dies, als wir eine Resolution zu Flucht und Migration verabschieden: „Morgen könnte es mich oder meine Kinder treffen“, sagen einige Kolleginnen aus afrikanischen Ländern. Wie lebt es sich, wenn man jederzeit damit rechnen muss, dass sich ein Krieg oder Konflikt auf die eigene Region ausweitet? Wie lebt es sich in Ländern, in denen Militär, Korruption, Gewalt und Armut die persönliche Sicherheit täglich bedrohen?
Die Vollversammlung der WUCWO ist ein Ort, an dem die globalen Krisen ebenso wie Diskriminierung und Stärke von Frauen in persönlichen Geschichten präsent sind. Und sie ist ein Ort, an dem sich Frauen als Akteurinnen des Wandels verstehen. So sind die sechs Resolutionen, die die Vollversammlung beschließt, im Wesentlichen Selbstverpflichtungserklärungen. Die WUCWO und ihre Mitgliederorganisationen werden ihre Handlungsspielräume nutzen und sich für Religionsfreiheit, einen gerechten und verantwortungsvollen Umgang mit Lebensmitteln, gute Bedingungen für Familien sowie eine Zukunft mit Migrant*innen und Geflüchteten einsetzen.
Unter den insgesamt sechs Beschlüssen stechen zwei weitere Resolutionen heraus: Die WUCWO will sich einerseits dafür engagieren, dass die Partizipation von Frauen in einer synodalen Kirche gestärkt wird (davon soll im nächsten Blogbeitrag die Rede sein). Andererseits will die WUCWO ihr Projekt World Women’s Observatory verstetigen und ausweiten, das sie 2021 ins Leben gerufen hat – damals, um die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Frauen in Lateinamerika zu untersuchen. „Listening to transform lives“, ist das Motto des Observatory. Es geht darum, die Unsichtbarkeit marginalisierter Frauen zu beenden; prekäre Lebensverhältnisse und zugleich die Resilienz der Frauen sichtbar zu machen und dies als ethischen Appell zu begreifen. In Assisi erschreckt mich in diesem Kontext immer wieder, wie eng die Lebensverhältnisse und Handlungsspielräume im globalen Süden mit dem Familienstand der Frauen verknüpft sind. Das gilt sowohl gesellschaftlich wie kirchlich: Single moms, deren Zahl in den Ländern Afrikas weiterhin zunimmt, können in den katholischen Frauenorganisationen nur dann eine Leitungsposition übernehmen, wenn sie sich überdurchschnittlich in ihrer Pfarrei engagieren und die Kommunion empfangen – also öffentlich zu erkennen geben, dass sie den sexualethischen Normen der Kirche entsprechend leben. Alleinerziehende, die unter erschwerten Bedingungen für ihre Kinder sorgen, werden nicht wegen dieser Leistungen respektiert, sondern grundsätzlich einer sexualethischen „Bonitätsprüfung“ unterzogen.
Noch prekärer ist die Situation der Witwen in vielen Regionen. Mit dem Tod des Mannes wird ihnen ein Platz ganz unten angewiesen – im wörtlichen Sinn. Sie müssen auf dem Boden sitzen und schlafen, dürfen zumindest für eine bestimmte Zeit nicht in die Öffentlichkeit – also weder einkaufen noch arbeiten oder sich ehrenamtlich engagieren. Diskriminierung und Ausgrenzung von Witwen sind an der Tagesordnung; in einzelnen kulturellen Traditionen werden sie enterbt, ihnen werden die Kinder entzogen, sie müssen Zwangsverheiratung befürchten oder haben als einzige Möglichkeit der Existenzsicherung die Prostitution. Die Vereinten Nationen haben den 23. Juni als Internationalen Tag der Witwen eingeführt, um auf diese Lebensbedingungen aufmerksam zu machen.
Weil auch Frauen kulturelle Muster stabilisieren, die lebensfeindlich und misogyn sind, sprechen Teilnehmerinnen in Assisi immer wieder davon, dass gesellschaftlicher und kirchlicher Wandel nur dann geschehen, wenn die Solidarität unter den Frauen selbst größer wird. Nach all diesen Erzählungen ist es für mich ein prophetisches Zeichen, dass mit der Mexikanerin Mónica Santamarina eine Witwe zur neuen Präsidentin der WUCWO gewählt wurde.

Foto: Ruth Lennen
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Danke für diesen Beitrag! Wie wichtig ist unsere Solidarität und das Wissen voneinander – weltweit als Frauen!