Weißer Sonntag: Mädchen in schönen weißen Kleidern, mit kunstvoll geflochtenen Frisuren und hübschen Frühlingskränzchen im Haar und Buben im teils eleganten, teils coolen Outfit stellen sich drängelnd und lachend zum Gruppenbild auf. Und da blitzt sogar die Sonne aus der grauen Wolkendecke: so ein Glück!
Gestern bekam ich von Marianne Bäumler, frühere KDFB-Vizepräsidentin und hoch engagierte Frauenbundfrau, einen großen Artikel der Mittelbayrischen Zeitung aus Regensburg zugesandt: „Kritik an Beichte bei Erstkommunion“ – ein Thema, das gerade wohl auch viele Frauenbundfrauen, Mütter und Großmütter, bewegt. Heute schlage ich die FAZ auf und finde im Hauptteil einen halbseitigen Artikel: „Ist die Beichte für Kinder noch angemessen?“ – Die Kinderbeichte ist ganz offensichtlich in der Diskussion! Und das nicht nur, weil in der Vergangenheit im Beichtstuhl Missbrauch mit perfider Täterstrategie gezielt angebahnt wurde, wie es die MHG-Studie, eine Studie zu sexuellem Missbrauch in der Katholischen Kirche, erschreckend deutlich gemacht hat. Die meisten Diözesen haben mit sogenannten Schutzkonzepten darauf reagiert. Und auch die Formen der Beichte haben sich zumeist geändert, doch wenn es zur Beichte kommt, müssen sich die begleitenden Personen, auch die vertraute Pastoralreferentin zurückziehen. Viele Kinder verstehen nicht, warum sie einem fremden Mann sagen sollen, was sie falsch gemacht haben.
Das Problem ist vielschichtig: Ja, es ist unabdingbar, dass Kinder auf kindgemäße Weise lernen, die Folgen ihres Handelns zu erkennen, sie zu fühlen: Sich einfühlen können in Andere, mitfühlen, das ist ein extrem hohes Gut im Zusammenleben. Gerade in einer zunehmend narzisstisch geprägten Welt ist dieser Gedanke nicht hoch genug zu veranschlagen. Selbst- und Nächstenliebe sind zentrale christliche Werte. Die Fähigkeit, eigene Gefühle erkennen und benennen zu können, ist aber auch ganz grundsätzlich für Kinder wie Erwachsene von hoher Bedeutung fürs ganze Leben. Kompetenzen im Umgang mit den eigenen Emotionen zu erwerben, auch im Bereich der Emotionen sprechfähig zu werden, das stärkt und macht nicht klein. Hier, im Bereich der emotionalen Bildung und Stärkung, sehe ich ein großes Potential in der Kommunionvorbereitung und darüber hinaus. Doch die Beichte empfinden viele als übergestülpt, künstlich, unangemessen.
Einen anderen Aspekt, der gegen die Kinderbeichte spricht, benennt in besagtem FAZ-Artikel der Psychiater und Neurologe Harald Dreßing. Er kritisiert die Beichte aus neurowissenschaftlicher Sicht. Konzepte wie Sünde, Schuld und Vergebung, aber auch die besondere Schwere einer Schuld seien aufgrund der Entwicklung des Frontalhirns erst im Alter von ca. 14 Jahren wirklich nachvollziehbar. Im jüngeren Alter blieben sie den Kindern äußerlich und fremd – im besten Fall.
Die Beichte vor der Erstkommunion ist übrigens kirchenrechtlich nicht so zwingend, wie die gängige Praxis glauben macht. Das verweist, so der an der MHG-Studie beteiligte Wissenschaftler Dreßing darauf, dass „weiterhin schon sehr früh Kontrolle und unangemessener Druck von der Kirche auf die Kinder und deren Eltern ausgeübt wird.“
Wenn ich an meine eigene erste Beichte zurückdenke, habe ich durchaus ein (kurzfristiges) Gefühl der Befreiung in Erinnerung. Eine meiner Töchter sagte mir aber heute, dass ihr damals klar war, dass sie dem Pfarrer auf keinen Fall etwas Persönliches sagen könnte; sie erfand für ihn eine „Sünde“, die sie niemals begangen hat und auch nie begangen hätte (aus Wut Löcher in die Socken schneiden).
– Wie denken Sie über die Kinderbeichte, was sind Ihre eigenen Erfahrungen mit Ihrer eigenen ersten Beichte? Welche anderen Schwerpunkte wären denkbar? Gerne würde ich Ihre Meinung hierzu erfahren und in einen Austausch kommen.
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Vielen Dank für diesen Blogbeitrag zur Beichte vor der Erstkommunion. Seit ich in unserer Tageszeitung über kritische Stimmen dazu gelesen habe, treibt mich dieses Thema um. Irgendwie ist mir so klar geworden, dass bei allem noch so gut gemeinten Bemühen der Seelsorgenden eine angstfreie Atmosphäre für die Erstbeichte zu schaffen, es doch immer um die Schuld und die Sünde geht. Und dies bei Kindern im Alter von 9 oder 10 Jahren; das passt nach meinem tiefen Empfinden gar nicht. Versöhnung und Verzeihen, nicht Schuld und Sünde.
Ich bin keine Theologin, deshalb gebe ich an dieser Stelle nur mein Empfinden weiter: ist theologisch das Bußsakrament denn nicht vor allem bei „schweren Sünden“ gedacht? Wie tröstlich, dann auf echte Lossprechung von Schuld und Sünde hoffen zu dürfen und Verzeihung bei Gott zu finden.
Vielleicht könnten wir als starke Gemeinschaft im Frauenbund auch an dieser Stelle eine wichtige Veränderung erreichen.
Ich als vor 40 Jahren junge Gemeindereferentin war entsetzt, als Firmbewerber den Anmeldezettel zur Firmung nur im Beichtstuhl erhalten konnten. Ich hatte damals noch keine Worte dafür, aber für mich war das spiritueller Missbrauch.
Als GR in der Seelsorge musste ich Kinder auf die Erstbeichte vorbereiten (ist alles mehr als 20 Jahre her). Das ganze Thema Schuld und Versöhnung ist ein sehr schönes Thema in Klasse 3 oder 4. Da ist viel Verständnis bei den Kindern, dass wir Menschen mithelfen können, dass Zusammenleben gelingt, dass Frieden gestiftet und die Schöpfung bewahrt wird. Kinder wissen, wie gut Versöhnung tut – am besten ganz direkt und spontan. Nur – dazu braucht es keine Beichte. Wenn man das Thema „Bußsakrament“ behandeln will, dann reicht das informativ, so wie das zu anderen Sakramenten der RKK auch ohne jegliche Praxisanwendung geschehen kann.
Bei Elternabenden im Rahmen der Bußvorbereitung habe ich das Thema intensiv bearbeitet und z.B. entwicklungspsychologisch (Kohlberg…) dargelegt, dass Kinderbeichte eine extrem schräge Angelegenheit ist. Aber auch Eltern waren zumindest damals nicht bereit, ihre Kinder wirklich zu schützen. Im Gespräch wurde z.T. deutlich, dass sie sich selbst noch längst nicht auf einer selbstbestimmten Entwicklungsstufe befanden. Heute würde ich zum entwicklungspsychologischen Aspekt auch die Entstehungsgeschichte dieser „Kinderbeichte“ (Pius X.) darlegen und die Missbrauchsgefahr aufzeigen. Und die beginnt eben nicht erst bei sexuellen Übergriffen. Wenn man einem Kind erst mal Schuld vor Gott und die Notwendigkeit einer Beichte einredet (mit einem männlich-klerikalen Gottesvertreter), dann ist das spiritueller Missbrauch. Auch dann, wenn doch alles „richtig nett gestaltet ist“. Das Bußsakrament ist für den allergrößten Teil der Katholik*innen völlig bedeutungslos geworden. Aber Kinder sollen da was durchziehen was theologisch, historisch, und entwicklungspsychologisch insgesamt fragwürdig ist – vor allem, wenn es um Kinder geht.
Im Übrigen ist das Thema „Kinderbeichte“ nur ein Aspekt, der derzeit sehr kritisch unter die Lupe genommen werden sollte. Der pastorale Nachwuchs wird in allen Berufsgruppen zunehmend katholikaler – da kommen Leute mit dem Hintergrund von Jüngerschaftsschulen, Loretto, Home Base, Jugend 2000, …. Spiritueller Kinder- und Jugendschutz ist ein höchst dringliches Thema!
Jesus hat mit mir dem Kriminellen Zachäus in seinem Haus geredet, ohne dass er zuerst seine Sünden bereute. Die Beichte ist nicht Voraussetzung für die Feierliche Kommunion. Seit meiner „Erstkommunion“ habe ich nicht mehr gebeichtet. Die moralische Instanz ist zu heftig. Auch ein „nettes“ Gespräch mit dem berechtigten Priester ist engführend. Beichten kann man auch bei anderen Menschen.
Ich bin sehr froh, dass Sie das Thema Kinderbeichte aufgreifen. Mich hat bei meinen eigenen Kindern das Argument, dass die Kinder bei guter Vorbereitung doch eigentlich gerne und freiwillig gehen , nie überzeugt, aber ich habe mich auch nicht so Recht getraut, etwas zu sagen. Eigentlich bin ich nicht so angepasst, aber am Sinn der Beichte in der Form, wie sie praktiziert wird, zu zweifeln, gilt als „glaubensfern“. Es ist fast ein wenig beschämend, da offen seine Meinung zu zeigen.
Welche Erfahrungen konkret habe ich gemacht? Bei einem Kind habe ich erlebt, dass es schlichtweg ausgefragt wurde, gerade weil es so vertrauend war. Bei einem anderen Kind hat ein Katechet die Kinder ohne Rücksprache mit den Eltern ins Auto gepackt, ist mit den Kindern zur Beichte gefahren. Sein Argument für dieses Vorgehen: Ich mache doch nicht Katechese zur Bespaßung. Beichte war für ihn der Gradmesser, ob es ein ernsthaftes Interesse am Glauben gibt. Der Gruppendruck war natürlich sehr hoch, die Kinder teilweise sehr verlegen. Ich glaube, dass bei keinem eine gute Grundlage für ein lebenslänglich gutes Verhältnis zur Beichte angelegt wurde. Das ist ja immer das Argument für die Kinderbeichte. Ich bin aber nicht dagegen, darüber nachzudenken, wie man über eigenes Versagen so mit jemandem sprechen kann, dass man eine Schuld nicht immer hinter sich herzieht. Aber , ob Kinder schon in diesem Sinne schuldhaftes Verhalten zeigen, möchte ich bezweifeln. Gewissensschulung hängt auch nicht von der Beichte ab. Als ob nur durch Beichte die Fähigkeit zur Unterscheidung angelegt wird! Dafür braucht es ganz andere Kontexte und aufmerksame Erzieher, Eltern.
Ich bin tief beeindruckt von den Kommentaren und der gehaltvollen Diskussion zum Themenspektrum Kinderbeichte und Spirituelle Selbstbestimmung hier, auf Instragam und Facebook – und ich möchte mich ausdrücklich für für Ihre wertvollen Gedanken und wichtigen Weiterführungen bedanken. – Vielleicht gibt es ja noch weitere Stimmen und Aspekte, die hier eingebracht werden und die Diskussion fortführen können, dazu möchte ich Sie ausdrücklich einladen. Denn das Thema ist tatsächlich zentral; viele tragen aus eigenem Erleben und eigener Reflexion Wichtiges dazu bei. Für mich ist diese Diskussion auch Ausdruck unserer Frauenbundkultur, für die ich dankbar bin! Ich freue mich, wenn das Gespräch weitergeht …
Vielen Dank für die Rückmeldung! Tatsächlich hatte ich überlegt, noch einen Gedanken aufzugreifen. Ich finde den Vorschlag von Frau Sandherr-Klemp sehr gut, in der Altersgruppe der Kommunionkinder zu sensibilisieren für Auswirkungen meines Handelns auf andere, sprich : Narzissmus.
Worum geht es eigentlich bei der Beichte? Ehrlich über sich nachdenken und sprechen? also lernen zu benennen, was diffus als Gefühl da ist, sich in seinen oft widersprüchlichen Gefühlen wahrnehmen?
Ich bin offen gestanden unentschlossen. Ein Zwang zur Kinderbeichte oder auch zur Firmlingsbeichte ist völlig übergriffig und indiskutabel.. Und es bringt auch gar nichts, die Kinder oder Jugendlichen irgendwie zu zwingen, damit sie es „gemacht haben“. Besser sind freie Rituale, in denen sie die Erfahrung machen, so angenommen zu sein, wie sie sind – mit ihren Schwächen, Selbstzweifeln etc.
Andererseits kann (nicht muss!) eine Beichte eine sehr befreiende Erfahrung sein, wenn sie freiwillig und in einem Raum des Vertrauens geschieht. Wahrscheinlich weder als Kinder noch als Jugendlicher, sondern eher als Erwachsener, z.B. in einer Lebenskrise.
Nun frage ich mich, wie kann man einerseits die Chance des – frei gewählten“ Sakraments vermitteln, andererseits aber jeden Zwang vermeiden?
Meine erste Beichte ist schon einige Jahrzehnte her, aber ich kann mich noch erinnern, dass die ganze Situation in dem dunklen Beichtstuhl sehr unangenehm war und dass ich vorher fieberhaft überlegt habe, welche Sünden ich denn begangen haben könnte. Viel eingefallen ist mir nicht. Irgendwie war ich fast schon froh, dass ich mit meiner Mutter gestritten hatte, dann hatte ich wenigstens eine plausible Sünde. Ich sehe das Beichten bei Erstkommunionkindern bis heute eher kritisch. Können 9-Jährige überhaupt schon sündigen? Ich bin keine Theologin, aber ich würde das als Mutter verneinen. Bei meinen Kindern war die Beichte zum Glück schon etwas anders und offener konzipiert. Trotzdem hat mir meine Tochter erst vor kurzem gesagt, dass sie das Beichtgespräch als unangenehm empfand und die ganze Situation auch nicht verstanden hat. Die Einzige in unserer Familie, die bis heute gerne beichtet, ist meine Mutter. Wobei ich bei ihr den Eindruck habe, dass sie bei der Beichte Dinge anspricht, die sie bedrücken bzw. die ihr Angst machen. Und so macht die Beichte für mich auch eher Sinn. Dass es nicht darum geht, dass man seine Sünden herunterleiert, sondern dass man jemanden hat, der einem zuhört und einem Mut zuspricht etc. Unser Pfarrer meinte mal, das Beichtgespräch dürfe man durchaus auch als psychologisches Angebot verstehen. Und während Psychologen und Psychotherapeuten eine lange Warteliste hätten, müsse man auf ein Beichtgespräch nicht so lange warten.
Ich finde es gut, dass das Thema Erstbeichte gerade auf mehreren Ebenen thematisiert und kritisch hinterfragt wird. Ich möchte zu den bisherigen Beiträgen gerne hinzulegen, dass ich theologisch und von meinem Gottesbild her Schwierigkeiten damit habe, einem Sakrament, also einem Geschenk, verpflichtenden Charakter zu geben. Das widerspricht dem Wesen. Um das Sakrament der Versöhnung als Geschenk annehmen und erfahren zu können, gehört meiner Erfahrung nach die Sehnsucht, die freie Entscheidung und Offenheit dazu, sich von Gott beschenken zu lassen. Nur so wird das Sakrament als Zeichen der Liebe Gottes ankommen. Kinder im Erstkommunionalter haben ganz sicher schon einen persönlichen Zugang zu Themen wie Unfriede, Schuld und dem, was Sünde meint. Diese Entwicklung sollte auch gestärkt und gefördert werden, zum Beispiel im Religionsunterricht und/oder der Katechese. Aber die Beichte in diesem Alter ist aus meiner Sicht völlig unangemessen. Entwicklungspsychologie, gesellschaftliche Entwicklungen, die Erfahrung geistlichen Missbrauchs, das Wesen der Sakramente und die Freiheit des Menschen scheinen hier keine Rolle zu spielen beim Festhalten an der alten Praxis. Auch die Tatsache, dass das Kind in der Regel beim eigenen Pfarrer beichten muss, ist zu bedenken. Die Freiheit, bei einem unbekannten oder auch vertrauten Priester zu beichten, entfällt für das Kind ganz selbstverständlich ohne hinterfragt zu werden. Das würde vermutlich kein Erwachsener für sich stillschweigend so hinnehmen.
Ich selber schätze für mich das Sakrament der Versöhnung sehr, ziehe daraus immer wieder Kraft und Neuausrichtung. Den Zugang dazu habe ich jedoch als erwachsener Mensch mit einem erwachsenen Glauben über Exerzitien und Geistliche Begleitung gefunden, über authentische Seelsorger (die es Gott sei Dank auch noch gibt), zu denen ich Vertrauen aufgebaut habe; ganz sicher nicht durch die Erstbeichte vor der Erstkommunion beim eigenen Pfarrer. Die Erstbeichte habe ich als aufregend, aber nicht berührend oder prägend erlebt. Vielmehr kam mir das damals schon sinnlos vor, weil mir als Kind einfach nichts einfallen wollte, was ich dort beichten kann.
Auch weil es heute (zumindest bei uns in Deutschland) nicht mehr üblich ist, vor dem sonntäglichen Kommunionempfang zu beichten, passt auch die Verpflichtung zur Erstbeichte für mich nicht mehr. Das ist aber eine sekundäre Begründung. Ernsthaft sensible Seelsorge ist für mich ein geeigneter Ort, an dem Versöhnung im Sakrament zur Sprache gebracht und in unbedingt zu wahrender Freiheit des Menschen nach dessen ausdrücklicher Bitte darum praktiziert werden darf. Katechese mit Kindern darf natürlich Sakramente beinhalten, aber definitiv kein Praxisort für die Beichte sein. Es wäre höchste Zeit, diese Schieflage zu beseitigen und Sakramentenkatechese und -verwaltung (das Wort wähle ich bewusst und finde es furchtbar, aber wahr) so zu gestalten, dass die Sakramente wieder neu als heilsam und Ort der Gottesbegegnung erfahrbar werden können.
Yoga als Sünde: Jetzt habe ich, aus aktuellem Anlass, noch einmal Ihre so wichtigen, erfahrungsgesättigten und reflektierten Kommentare zum Beicht-Thema gelesen, und ich bin erneut beeindruckt. Der Anlass meiner heutigen Lektüre der Kommentare ist ein aktueller Artikel (20. Mai) der Mittelbayrischen Zeitung, auf den mich wieder Marianne Bäumler aufmerksam machte. Mehr durch Zufall kam ans Licht, dass in einer Gemeinde auf dem Beichtspiegel für Firmlinge u.a. Yoga, Asiatische Kampfkünste wie Judo oder das Feiern von Halloween als zu beichtende Sünden verzeichnet waren: Die Missbrauchsanfälligkeit der Beichte wird an diesem konkreten Beispiel erneut augenfällig. Auch um Selbstbefriedigung ging es in der Beichtvorbereitung für die 11- bis 12-Jährigen der Gruppe. Die katholische Fixierung auf genitale Sexualität erweist sich hier wieder als hoch problematisch bis verstörend. Sicher wäre Notwendiges zu sagen und zu besprechen zum Themenspektrum Verhältnis der Geschlechter und zur in der Gottesebenbildlichkeit begründeten Gleich-Würdigkeit aller Menschen. Auch der Bedeutung von Freundschaft, Vertrauen, Liebe und Respekt wäre unbedingt Raum zu geben im Hinblick auf die Ganzheitlichkeit menschlicher Sexualität, wenn Sexualität denn Thema sein sollte. Die im Beichtspiegel repräsentierte Engführung auf die genitale Sexualität und generell der Beichtspiegel als willkürliches Kontrollinstrument sind leider schlechte katholische Tradition.
Ute Leimgruber, Professorin für Pastoraltheologie und Homiletik an der Universität Regensburg und Mitglied der theologischen Kommission des KDFB verwies in der MZ auf die grundsätzliche Problematik, dass Priester ihre eigene Weltanschauung zum theologischen Programm machten und andere darauf verpflichteten. Nur durch einen Zufall ist nun diese konkrete Weltsicht des Geistlichen im „Beichtzettel“ dokumentiert. – Im publik gewordenen Fall distanzieren sich die leitenden Kirchenmänner von den Inhalten. Die allermeisten dieser Fälle aber bleiben unbekannt. Umso wichtiger sind Sie als wache und aufmerksame Leserinnen und auch als Autorinnen, die sich in unseren Frauenbund-Diskurs zum Thema Beichte und darüber hinaus einbringen. Dafür möchte ich mich noch einmal ausdrücklich bedanken.
Mine Erst Beichte habe ich durch eine Nonne
schriftlich aufschreiben müssen, die dann auch auf Fehler von der Nonne korrigiert wurden. So konnte ich selbstsicher meine erste Beichte
aufwendig lernen und diese immer für die nächste Beichten verwenden, für die Süden die ich nie begangen habe als 9 jähriger.
Die Sünden wurden uns zum Teil diktiert.
Ich bin auf diesen Blog und die Kommentare gestoßen, weil in meiner Traumatherapie das Thema präsent wurde, obwohl ich schon über 60 Jahre alt bin. Noch einmal muss ich mich aufgrund einer Retraumatisierung mit den Folgen meiner Kindheitserlebnisse beschäftigen. Ich habe in meiner Familie schon sehr früh körperliche und sexualisierte Gewalt erleiden müssen, noch bevor ich sprechen konnte. Seit ich denken kann, habe ich mich wertlos, schmutzig, schuldig, beschämt gefühlt und meine katholischen Eltern, speziell meine Mutter, haben nichts ausgelassen, um dies zu bestärken. Vielleicht war es zu dieser Zeit relativ normal, dass Bedürfnisse und die Würde von Kindern nicht wahr- und ernstgenommen wurden. Ich war eine Art Leibeigene. Wann und was auch immer meine Mutter von mir wollte, ich musste sofort aufspringen und es ausführen, egal, was ich gerade tat. Und war ich „ungehorsam“, so hatte ich gesündigt. Mein 8 Jahre älterer Bruder, selbst geschädigt in dieser Familie, benutzte mich regelmäßig als Ventil für seine Wut und Aggressionen und ich bekam jede Menge Prügel ab. Natürlich war er mir körperlich überlegen. Anstatt meine Eltern mich geschützt hätten und meinen Bruder in die Schranken gewiesen, nervte es sie einfach nur, wenn ich dann weinte und wieder und wieder wurde mir, nicht ihm gesagt, ich solle zu „streiten“ aufhören und meinen Bruder in Ruhe lassen. Ich ging zum Religionsunterricht und hatte nicht das Glück, einfühlsame Priester oder Lehrer:innen zu haben. Die schwarze Pädagogik war gang und gäbe und Gott diente als verlängerter Arm derselben. Hatte meine Mutter oder ein Lehrer nicht mitbekommen, was ich angeblich schon wieder falsch gemacht hatte, so gab es vor Gott kein Entkommen, weil er ja „in mein Herz sehen konnte“ und vor IHM nicht die kleinste Sünde zu verbergen möglich war. Jeden Samstag beichtete ich, ich hätte mit meinem Bruder „gestritten“, nicht „freudig“ meiner Mutter geholfen, sie (aus Versehen wohlweislich) halb nackt in der Küche gesehen usw. Als 8, 9, 10-jährige!! Die Situation im Beichtstuhl fand ich sehr unangenehm, dieses feuchte Flüstern, die Dunkelheit…ich glaube, es hat damals schon die zuvor erlebten Traumata getriggert. Ich fühle mich bis heute manchmal nachts in meinem Bett nicht sicher, wenn es dunkel ist. Ich kann dann nur mit Fernseher schlafen. Es mag für Erwachsene von Wert sein, sich mit Schuld, Sünde, Vergebung auseinanderzusetzen und es mag auch stimmen, dass Kinder, die behütet und geliebt aufwachsen, schon etwas davon „verstehen“. Für mich als Kind war es ein fürchterliches Gift, das mir ins Gehirn gebrannt hat, ich sei Täterin und nicht Opfer. Noch heute reagiere ich oft zuerst mit Scham, wenn jemand mir etwas tut und mein Leben lang muss ich immer wieder sortieren, wie sich etwas wirklich verhält. Und was am schlimmsten war: Nach der Beichte hatte ich immer kurzzeitig ein befreites „sauberes“ Gefühl und ich wollte versuchen, ohne Sünde zu bleiben, wenigstens bis zum Gottesdienst am Sonntag. Ich ging meinem Bruder aus dem Weg, ich drängelte mich um jede Hausarbeit, widersprach nicht usw… und dann, wenn ich dachte, ja! ich habe es geschafft, wenn ich anfing innerlich darüber zu jubeln, schnappte die Sündenfalle auf grausame Weise zu: Das nämlich war die Todsünde Hochmut!! Und mein Höhenflug endete in tiefster Verzweiflung, es einfach nicht zu schaffen, ein guter Mensch zu sein. Es war ein perfides Strafsystem, das in mich eingeschrieben war und manchmal bis heute Nachwirkungen hat. Ich gerate in emotionale Flashbacks und ich habe eine Menge Zeit und Kraft investieren müssen, um mich selbst annehmen zu können. Sicher, heute wird vieles ganz anders vermittelt und dennoch möchte ich aufgrund meiner Geschichte zu bedenken geben, dass Beichtenmüssen für Kinder, die durch Gewalt oder Vernachlässigung oder einfach nur Belastungen im Elternhaus schon eine beschädigte Seele haben (und das sind leider immer noch mehr, als die meisten so denken) unter Umständen alles verschlimmern kann. Sie sollten lieber tausendmal gesagt bekommen, dass sie an nichts Schuld haben, dass sie keine unangenehmen Situationen aushalten müssen, dass sie völlig in Ordnung sind. So manches „böse“ Verhalten von Kindern ist ein Hilfeschrei einer verletzten Seele und alles andere als eine Sünde!! Vielen Dank fürs Lesen.
Ich erlebe selbst gerade die größte Not als Mutter eines Kommunionkindes (Bistum Regensburg). Lassen Sie mich erzählen: Selbst bin ich gläubig aufgewachsen und habe immer wieder auch die menschennahen, lebendigen Seiten von Kirche erleben dürfen. Wie Glauben aktuell meinen Kindern vermittelt wird, erlebe ich als rückschrittlich und enttäuschend.
Abgesehen davon, dass weder Eltern noch Kinder aktiv in die Vorbereitung einbezogen werden, findet nun die Beichte nach einem alten Schema statt, bei dem die Kinder nach einem Beichtspiegel nach Sünden forschen sollen, der bei mir für Kopfschütteln sorgt. Weder ist es für mich z.B. sündig, wenn man zornig zu den Eltern war (im Gegenteil! Wie mühsam müssen manche Erwachsene lernen, mit unterdrückter Wut umzugehen!) oder wenn man nicht alle Sonntage die Kirche besucht hat. Mein Kind kam nun weinend zu mir und sagte, sie wolle nächste Woche nicht in die Beichte gehen. Wir haben darüber mittlerweile viele viele Gespräche geführt. Weder will sie sich Sünden ausdenken noch mit einem Mann darüber sprechen, zu dem sie wenig Vertrauen hat. Nun habe ich dem zuständigen Kaplan mein Dilemma geschildert. Seine Reaktion war, dass er sagte, wer zur Erstkommunion gehen wolle, müsse beichten; wer keine Erstkommunion feiern wolle, könne das Beichten sein lassen. Natürlich will mein Kind die Erstkommunion feiern, auf die sie sich seit einem halben Jahr vorbereitet! Für mich grenzt dies an Geistlichen Missbrauch. Die Kinder werden gezwungen Beichten zu gehen, durch diese Art emotionaler Erpressung, die faktisch meines Wissens nicht einmal korrekt ist, und dadurch, dass die Beichte vormittags während der Unterrichtszeit stattfinden soll, wo Schulpflicht besteht! Ich möchte mein Kind nicht zur Beichte zwingen und gleichzeitig meiner elterlichen Fürsorgepflicht nachkommen, mein Kind zu schützen. Ich frage mich: Wo bleibt da die Seelsorge? Soll das die Kirche sein, der ich noch angehören möchte? Oder für die dich mein Kind einmal entscheiden soll? Ich zweifle stark. Und das tut sehr weh.