Paris-Reise des KDFB Rottenburg-Stuttgart, Teil 3.
Am dritten Tag unserer Paris-Reise widmen wir uns der Spannung zwischen Arm und Reich. Dass Paris mondän ist, dass viele Menschen hier Geld haben und gerne ausgeben, dass aus vielen Geschäften der Luxus quillt, ob in Form von sündhaft teurer Mode oder erlesensten Speisen, das ist uns vom ersten Moment an bewusst. In den Kaufhäusern Printemps und La Fayette tauchen wir heute für einen kurzen Augenblick in diese Welt ein und verlieren uns zwischen allem, was sich hier kaufen lässt.
Aber es gibt eben auch die andere Seite. Es gibt ein Paris der Armut, es gibt viele Menschen, die es schwer haben, hier ihr Leben zu bestreiten. Madeleine Delbrêl hat sich entschieden, auf welcher Seite sie steht. Sie teilt das Leben der einfachen Menschen im prekären Arbeiterviertel und sagt dazu: „Man kann glücklich sein, auch wenn man leidet, und wer nicht leidet, ist deshalb nicht immer schon glücklich. Unter den Menschen, die in größter Unterdrückung leben, gibt es Liebende, die glücklich sind, friedliche Familien, lachende Gruppen, singende Volksmengen. Aber dass bei manchen von ihnen das Glück überlebt, darf keine Ausrede sein, sich mit ihrem Leiden abzufinden.“
Ja, wir sehen täglich die Armen dieser riesigen Stadt. Sie schlafen auf Matratzen in Hauseingängen oder in den langen Gängen der Metrostationen. Manche haben kleine Zelte, die urplötzlich auf dem Gehsteig auftauchen. Viele strecken die Hände aus, um einen Groschen zu erbitten. Und dann sind da noch die vielen Menschen mit dunkler Hautfarbe, die den Müll der Stadt beseitigen oder die mitten auf der Straße Ramsch-Artikel verkaufen, um sich irgendwie ein Auskommen zu sichern. Es bedrückt mich, wenn ich als Touristin mit gefülltem Geldbeutel an ihnen vorbeilaufe. Ich weiß, dass ich an ihren Lebensverhältnissen nichts ändern werde. Und doch möchte ich sie sehen, wenigstens das.
Mit diesem Impuls laufen wir heute durch Paris und halten die Augen offen. Saint Augustin wird für uns zum Ort, an dem wir uns Charles de Foucauld annähern. Hier hatte er sein Bekehrungserlebnis. Auch er ein Mensch, der sich wie Madeleine entschieden hat, dem bürgerlichen Leben den Rücken zu kehren und mitten unter ärmlichen Menschen zu leben.
Dazu passt, dass wir abends bei einer neuen geistlichen Gemeinschaft zum Gottesdienst einkehren. In der Kirche St. Gervais-St. Protais laden die Brüder und Schwestern der monastischen Gemeinschaft Jerusalems zum Gebet ein. Auch sie leben mitten zwischen den Menschen, arbeitend und von Gott Zeugnis gebend. Wir kommen ein wenig spät und suchen uns schnell einen Platz im hinteren Bereich der Kirche. Eigentlich bin ich schon zu müde zum Beten. Aber ich lasse mich fallen in die wunderbaren Gesänge und hänge meinen Gedanken nach. Die Schwestern und Brüder verströmen eine große innere Ruhe, wie sie da im vorderen Drittel des Kirchenraums auf einfachen Schemeln knien und auf diese Weise alle anderen einladen, sich für kurze Zeit in ihren Rhythmus einzuschwingen.
Plötzlich, bei der Gabenbereitung, werde ich aus meiner Müdigkeit gerissen. Eine Schwester läuft in der Kirche nach hinten, dorthin, wo wir sitzen. Sie schaut sich suchend um. Dann wählt sie Silke und Marion aus unserer Gruppe aus, die Gaben in einer Prozession nach vorne zu tragen. Mir wird ganz warm ums Herz. Was für eine schöne Geste! Wir sind ganz fremd und werden doch in die Mitte geholt. Unsere Reise, unsere Gemeinschaft der Gruppe, unsere vielen Eindrücke, unsere Erschöpfung vom langen Tag und unsere Sehnsucht liegen nun mit den Gaben auf dem Altar. Sie sind eingeschlossen in die Wandlung, die dort geschieht. Mir steigen Tränen in die Augen. Dieser Moment ist sehr kostbar, das spüre ich.
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